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Neue Regeln für Green Claims in der Werbung

Werberechtsupdate: Seit dem 1. Januar 2025 müssen Werbetreibende Aussagen zur verursachte Klimabelastung belegen können. Ansonsten gelten die Angaben als unlauter, sind (zivil)rechtlich angreifbar und strafbar (Art. 3 Abs. 1 lit. x nUWG).

Im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes wurden diverse Erlasse geändert – und der erwähnte neue Artikel im UWG (dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), eingefügt:

"Unlauter handelt insbesondere, wer [...] Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht, die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können."

Was gilt für Klimaaussagen in der Werbung?

Auch bis anhin galten falsche oder irreführende Angaben in der Werbung als unlauter und waren rechtlich angreifbar (v.a. Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Neu ist auf Gesetzesstufe deutlicher verankert, dass v.a. pauschale Aussagen zu Klimabelastungen mit Vorsicht einzusetzen sind: Bei Verwendung von absoluten Angaben wie "CO2neutral", "CO2free", quantitativen Zielen oder dem Einsatz von Labels muss die Aussage nämlich für das gesamte beworbene Angebot nachweisbar sein.

Die Selbstregulierung der Werbebranche stellt bereits länger spezifische Anforderungen an Werbung mit Klimaaussagen. In ihrer Richtlinie zur kommerziellen Kommunikation mit Umweltbezug konkretisierte die Schweizerische Lauterkeitskommission SLK (das Selbstregulierungsorgan der Schweizer Werbebranche) 2023 die Anforderungen an die Verwendung bestimmter Klimaargumenten in der Werbung:

  • Aussagen wie "CO2-neutral", "CO2-freundlich", "CO2-frei" bezeichnen die vollständige Emissionsvermeidung oder vollständige Kompensation des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid bzw. Kohlendioxid;
  • "CO2-positiv" meint eine Überkompensation (mehr CO2 kompensieren als emittieren);
  • Aussagen wie "treibhausgas-neutral", "ohne Treibhausgase" zielen auf Massnahmen zur vollständigen Emissionsvermeidung oder vollständigen Kompensation sämtlicher Treibhausgase (neben CO2 auch Stickoxide, Methan, Lachgas, F-Gase);
  • Begriffe wie "klimaneutral", "klimapositiv", "klimafreundlich", "ökologisch sicher", "grün" etc. beziehen sich darüberhinausgehend (!) auf Massnahmen zur Neutralisierung sämtlicher negativer Einflüsse eines Produkts oder einer Unternehmung auf den Klimawandel.

Die Beweislast liegt beim Werbetreibenden: Wer einen entsprechenden Claim verwendet, muss dessen Richtigkeit zeigen können. Bis Mitte 2025 ist seitens des Bundesamts für Umwelt (BAFU) mit einer Vollzugshilfe zu rechnen, welcher den Werbetreibenden helfen soll, im Einklang mit der neuen UWG-Bestimmung zu kommunizieren (gestützt auf Art. 39 Abs. 4bis CO2-Gesetz). Auch die Rechtsanwendungen der verschiedenen Behörden soll durch die Vollzugshilfe vereinheitlicht werden. Bis dahin sollten sich Werbetreibende für Nachweise zu ihren Werbeaussagen vorerst an den bereits bestehenden Richtlinien der SLK orientieren: Im Rahmen der Selbstregulierung werden bereits heute zum Nachweis "plausible und nachvollziehbare, nach allgemein akzeptierten und anerkannten Methoden vorgenommene Berechnungen" verlangt (Ziff. 12 Richtlinie Umweltbezug). Die Effektivität von Kompensationsmassnahmen ist glaubhaft zu machen und allfällige Zertifikate sind vorzulegen.

Was sind die Risiken?

Entscheide zu klimabezogenen Werbeaussagen ergingen in der Schweiz bisher v.a. unter der Selbstregulierung (v.a. durch die SLK): Ein Verstoss gegen die Richtlinien der Selbstregulierung ist vor der SLK mit Beschwerde rügbar. Die SLK kann schlussendlich jedoch nur Empfehlungen aussprechen und bei Nichteinhaltung allenfalls ihre Entscheide unter Namensnennung publizieren. Empfehlungen der SLK haben Reputationswirkung – gerade in Bereichen wie der ökologischen Nachhaltigkeitswerbung, die ein gewisses mediales Interesse auslösen. Die Beschwerden in diesem Bereich nahmen in den letzten Jahren zu.

Unter dem neuen UWG-Artikel wird die Anzahl rechtlich verfolgter Fälle in der Schweiz wohl steigen. Abnehmer:innen und Konkurrent:innen können gegen mutmasslich falsche oder irreführende Aussagen nun auch in Zivilverfahren oder mittels Strafanzeige (bzw. Strafantrag) vorgehen. Bei Verstössen gegen die Werbevorschriften sind zivilrechtlich insbesondere (vorsorgliche) Verbote und Schadenersatzforderungen denkbar. Strafrechtlich drohen bei vorsätzlicher Begehung Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (theoretisch bis CHF 540'000).

Was gilt für andere Umweltaussagen?

Die SLK stellt auch Anforderungen an die Werbung mit anderen Green Claims, d.h. Umweltargumenten auch ohne Klimabezug (Richtlinie Umweltbezug): So müssen bei der Verwendung von Begriffen wie "nachhaltig", "umweltfreundlich" etc. in der Werbung die entsprechenden Massnahmen über die gesetzlichen oder brancheninternen Anforderungen hinausgehen.

Die Vorschriften zu Informationspflichten und Kennzeichnung im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit eines Angebots – nicht nur betreffend Klimaschutz – werden zunehmen: So kann der Bundesrat z.B. künftig Anforderungen an eine einheitliche, vergleichbare, sichtbare und verständliche Kennzeichnung von und Information über Produkte und Verpackung festlegen, die sich an der durch Produkte und Verpackungen verursachten Umweltbelastung (nicht nur CO2-Emmissionen) orientieren (Art. 35i Abs. 1 lit. d nUSG). Die Details dieser sind auf Verordnungsstufe zu regeln. Der Bundesrat muss dabei die Regeln der EU, als wichtigster Handelspartner, bei der Festlegung der Kennzeichnungsregeln (zumindest) berücksichtigen (Art. 35i Abs. 2 nUSG).

Gibt es Spezialregeln für gewisse Branchen?

Für bestimmte Angebote greifen besondere Bestimmungen zur Werbung mit ökologischen Nachhaltigkeitsargumenten:

  • Komplettes Verbot der Bewerbung des Engagements für ökologische Belange: Da kein sachlicher Bezug zum Produkt besteht, darf bei Spirituosenwerbung überhaupt nicht auf Engagements der Anbieterin für soziale und ökologische Belange sowie für Tierschutz-Programme o.ä. hingewiesen werden (neuer Leitfaden für Alkoholwerbung, Ziff. 8.1.8).
  • Selbstregulierung der Schweizer Finanzbranche: Seit 2023 (mit Übergangsfristen zur Umsetzung bis zum 1. Januar 2027) bestehen (neue) selbstregulatorische Vorgaben für die Definition nachhaltiger Anlageziele, die Beschreibung der angewendeten Nachhaltigkeitsansätze, die Rechenschaftspflicht und die Prüfung der Umsetzung durch einen unabhängigen Dritten. Der Bund sieht deshalb auch vorerst von einer rechtlichen Regelung gegen Greenwashing im Finanzsektor ab.
  • Klimaberichterstattung: Im erweiterten Sinn  zur geschäftlichen Kommunikation zählt auch die seit 1. Januar 2024 verbindliche Berichterstattung zum Risiko des Klimawandels und zur eigenen Klimaauswirkung grosser Schweizer Unternehmen.

Und was gilt im Ausland?

Auch die EU erhöht die Anforderungen an (freiwillige) Informationen zu den Umwelteigenschaften von Produkten und Unternehmen. Mit der "Empowering Consumers"-Directive ("Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen", EU/2024/825 kurz: "ECD") werden "allgemeine Umweltaussagen", für die eine "anerkannte hervorragende Umweltleistung" nicht nachgewiesen werden kann, verboten (zumindest in der Kommunikation mit Verbrauchern). Dazu zählen eine Reihe pauschaler Begriffe wie "umweltfreundlich", "umweltschonend", "grün", "naturfreundlich", "ökologisch", "umweltgerecht", "klimafreundlich", "umweltverträglich", "CO2-freundlich", "energieeffizient", "biologisch abbaubar", "biobasiert" etc. Nachhaltigkeitslabels können helfen, umweltbezogene Aussagen zu rechtfertigen, die Zertifizierungen müssen jedoch strikten Anforderungen genügen.

Die Regeln der ECD müssen in den Mitgliedstaaten im nationalen Recht umgesetzt werden und sind ab 27. September 2027 wirksam. Je nach Tempo der Mitgliedstaaten, können entsprechende nationale Vorschriften in den einzelnen EU-Ländern bereits früher greifen.

In Ergänzung zur ECD ist in der EU aktuell die "Green Claims Directive" ("Richtlinie über Umweltaussagen" kurz: "GCD") in Ausarbeitung, welche Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit von Umweltaussagen und die Verwendung von Nachhaltigkeitslabels weiter konkretisiert. Vor allem Aussagen zur "Kompensation" gewisser umweltschädlicher Wirkungen kommen in Bedrängnis. Werbetreibende werden künftig vorab prüfen müssen, ob sie geplante Nachhaltigkeitsaussagen nachweisen können. Zertifizierungssysteme müssen (noch) strengere Anforderungen erfüllen.

Einige EU-Mitgliedstaaten (z.B. Frankreich) kennen jetzt aber bereits schon spezifische Anforderungen an umweltbezogene Werbung.

Bei Verstössen gegen die EU-Bestimmungen werden Geldstrafen von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes, Verkaufsverbote sowie Beschlagnahme von Einnahmen oder der Ausschluss von bis zu 12 Monaten aus öffentlichen Aufträgen drohen. Auch können Mitbewerber (z.B. mit Abmahnung, Klagen) dagegen vorgehen.

Schweizer Werbende mit Ausrichtung auf den EU-Markt müssen auch die EU-Spielregeln einhalten. Auch Schweizer Unternehmen, die lediglich Zulieferer sind, müssen damit rechnen, dass ihre Abnehmer verbindlicher nachfragen und Nachweise für umweltbezogene Aussagen verlangen. Die EU- und Schweizer Regeln bedeuten damit mehr Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette.

Wir beraten gerne zu den Möglichkeiten und Grenzen von Nachhaltigkeitswerbung und allgemein zum Werberecht für verschiedene Angebote und Branchen.

 

Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe von Updates und Entwicklungen im Werberecht:

 

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