Umfang Gewährleistungsbestimmungen bei Unternehmens- und Immobilienkaufverträgen
Unternehmenskaufverträge sind heute auch in kleineren Verhältnissen sehr umfangreich, v.a. bei den Gewährleistungsbestimmungen. Dies im Gegensatz zu den Immobilienkaufverträgen. Wieso ist das so? – ein Erklärungsversuch
Umfangreiche Unternehmenskaufverträge
Als Anwalt hat man sich unterdessen daran gewöhnt, dass vielen Aktionären von KMU die Kinnlade herunterfällt, wenn sie sich mit einem Unternehmenskaufvertrag, also einem Kaufvertrag für sämtliche Aktien des zu verkaufenden Unternehmens, konfrontiert sehen. Diese Kaufverträge, inspiriert durch amerikanische Muster und jede Eventualität regelnd, weisen auch in kleineren Verhältnissen oft einen sehr grossen Umfang auf. Es werden heute auch kleinere Transaktionen, welche vor 30 Jahren noch mit kurzen Verträgen oder sogar per Handschlag durchgeführt wurden, mit umfangreichen Verträgen geregelt.
Der Grund für den grossen Umfang der Gewährleistungsbestimmungen, also dem Herzstück solcher Aktien- und Unternehmenskaufverträge, liegt auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichts begründet. Jeder Kaufvertrag kennt eine gesetzliche Gewährleistung des Verkäufers. Der Verkäufer leistet Gewähr dafür, dass die verkaufte Sache die Eigenschaften aufweist, welche versprochen sind, oder vorausgesetzt werden können. Bei der Aktie beschränkt sich die gesetzliche Gewährleistung jedoch gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf die Aktie als Titel, also das Papier, sofern verbrieft, nicht jedoch auf die Unternehmung und ihre Aktiven, obwohl beim Kauf aller Aktien ja eben die Unternehmung gekauft wird. Man muss deshalb beim Unternehmenskaufvertrag sämtliche Gewährleistungen im Vertrag selber regeln, da einem die gesetzliche Gewährleistung keine Hilfestellung bietet.
Die Unternehmenskaufverträge weisen also nicht ohne Grund umfangreiche Gewährleistungsbestimmungen auf. Der Käufer eines Unternehmens führt zwar jeweils eine mehr oder weniger umfangreiche Prüfung, die Due Diligence, beim zu kaufenden Unternehmen durch. Trotzdem können nicht alle Details abschliessend geprüft werden. Der Käufer will sich daher mit möglichst umfangreichen Gewährleistungsbestimmungen gegen unliebsame Überraschungen absichern.
Unterschied Immobilienkaufverträge
Beim Immobilienkauf ist die gesetzliche Ausgangslage nun genau umgekehrt. Das Grundstück, also die Immobilie, wird im Kaufvertrag, welcher öffentlich beurkundet werden muss, genau umschrieben mit einem detaillierten Auszug aus dem Grundbuch gleich zu Beginn. Die gesetzliche Gewährleistung geht hier, auch ohne dass die Gewährleistungen im Vertrag speziell geregelt werden müssten, auf das Grundstück, die Ausmessungen, Dienstbarkeiten, Lasten, Bestand des / der Gebäude etc. Der Käufer müsste also nur noch diejenigen Dinge regeln, bei denen er nicht sicher ist, ob sie durch die gesetzlichen Gewährleistungen gedeckt sind.
Gewährleistung bei Immobilienkaufverträgen
Nun geschieht jedoch etwas Sonderbares; die Gewährleistungen werden bei Grundstückkäufen regelmässig wegbedungen. Damit beginnt man, trotz der aus Käufersicht günstigeren Ausgangslage gegenüber den Unternehmenskaufverträgen, wieder bei Null, also dort wo man bei Unternehmenskaufverträgen ohne die gesetzliche Gewährleistung auch beginnt.
Nun könnte erwartet werden, dass in den Immobilienkaufverträgen wegen der Wegbedingung der Gewährleistung die gleichen Listen von Gewährleistungsbestimmungen erscheinen, wie wir sie von den Unternehmenskaufverträgen kennen. Dies ist jedoch oftmals nicht der Fall. In den meisten Grundstückkaufverträgen werden nur wenige Gewährleistungsbestimmungen aufgenommen, so etwa für Altlasten und Belastungen, oder für als wesentlich erachtete Bausubstanz etc. Dies erstaunt, geht es doch bei Immobilienkäufen insbesondere im gewerblichen Bereich, oder beim Kauf von grösseren Objekten und Überbauungen, um mindestens gleich viel Geld wie bei Unternehmenskäufen im KMU Umfeld. Ausserdem weisen Immobilien auch bei guter Due Diligence immer noch genügend Unbekannte auf, welche umfassende Gewährleistungsbestimmungen rechtfertigen würden.
Eine Erklärung mag sein, dass die Grundstückkaufverträge nicht allein in der Hand der Vertragsparteien oder deren Anwälte liegen, sondern dass die Notare hier eine wichtige Rolle spielen. Der Grundstückkaufvertrag muss von einem Notar öffentlich beurkundet werden. Da viele Notare ihre eigenen Formulierungen vorziehen, lassen die Vertragsparteien den Vertrag häufig schon vom Notar aufsetzen. Anders als bei den Unternehmenskaufverträgen kommen diese Verträge nicht mit einem umfassenden Katalog von Gewährleistungsbestimmungen daher, welcher von den Parteien gekürzt werden kann, sondern die Gewährleistung wird zunächst vollständig wegbedungen. Die Gewährleistungsbestimmungen müssen dann auf Wunsch oder Druck der Käuferseite neu aufgenommen werden, was psychologisch natürlich schwieriger ist, wie wenn solche Bestimmungen schon von Anfang an im Vertrag stehen. Oft sind die Notare denn auch nicht unbedingt erfreut, wenn man "ihren" Vertrag noch mit langen Bestimmungen aufbläht. Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit diesem Wegbedingen der Gewährleistung eine eigene Rechtsprechung entwickelt. Es hat entschieden, dass die Gewährleistung nicht wegbedungen werden kann, wenn der Mangel gänzlich ausserhalb dessen liegt, womit der Käufer vernünftigerweise rechnen konnte. Ich wage hier die Behauptung aufzustellen, dass diese Rechtsprechung gar nicht hätte entwickelt werden müssen, wenn das Wegbedingen der Gewährleistung in den Immobilienkaufverträgen nicht die Norm wäre. Auch diese Rechtsprechung schützt den Käufer aber natürlich nur bei für den Käufer schwerwiegenden Mängeln, mit welchen er nicht hätte rechnen müssen.
Es ist daher auch bei Grundstückkaufverträgen zu empfehlen, den Gewährleistungen ein besonderes Gewicht zu geben und sich mit den Notariaten hinsichtlich der Formulierung von Vertrags- und Gewährleistungsbestimmungen kritisch auseinanderzusetzen.
Georg Weber (Fachanwalt SAV für Bau und Immobilienrecht) ist Partner bei Probst Partner AG in Winterthur
Das AGM des weltweiten Netzwerks von unabhängigen Anwaltskanzleien, PANGEA, fand dieses Jahr vom 27. bis 30. Juni 2019 in Amsterdam statt. Das Netzwerk ist als Schweizer Verein organisiert mit Sitz bei Probst Partner AG. Georg Weber war 10 Jahre Treasurer dieses Netzwerks und hat sich jetzt auf die Rolle als administratives Vorstandsmitglied aus der Schweiz zurückgezogen. Probst Partner AG wird bei PANGEA weiterhin gestaltend mitwirken. Den Klienten von Probst Partner AG kann durch das Netzwerk der mühelose Zugang zu ausgesuchten ausländischen Kanzleien angeboten werden.