Autonomes Fahren in der Schweiz
Ab 1. März 2025 dürfen Autobahnpiloten, Parkpiloten und vollständige Autopiloten bei Motorfahrzeugen in der Schweiz eingesetzt werden. Eine neue Verordnung regelt die Zulassung und die Verwendung von Motorfahrzeugen mit einem Automatisierungssystem sowie die Bearbeitung von Daten, die mit solchen Fahrzeugen zusammenhängen (Art. 1 Verordnung über das automatisierte Fahren, VAF, SR 741.59).
Die Pflichten adressieren Hersteller, aber direkt oder indirekt auch die manuellen Lenkerinnen und Lenker bzw. Operatoren, d.h. die natürlichen Personen, die das Fahrzeug im Betrieb beaufsichtigen (Art. 34).
Die Verordnung unterscheidet drei Arten von Automatisierungssystemen (Art. 2 VAF):
- Autobahnpilot (Art. 23): Bei einem Fahrzeug mit Übernahmeaufforderung, informiert das Automatisierungssystem die Fahrzeugführerin oder den Fahrzeugführer, wenn es an die Grenzen seines bauartbedingten Einsatzbereichs gelangt. Lenkerinnen und Lenker eines automatisierten Fahrzeugs dürfen auf richtungsgetrennten Autobahnen die Lenkvorrichtung loslassen und die Bedienung des Fahrzeugs dem Automatisierungssystem überlassen (ab Level 3 Fahrfähigkeiten, vgl. bspw. bei Mercedes Benz). Lenkerinnen und Lenker müssen aber bereit bleiben, die Fahrzeugbedienung jederzeit wieder selbst auszuüben, wenn sie das Automatisierungssystem dazu auffordert oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennbar ist, dass die Voraussetzungen für eine sichere und verkehrsregelkonforme Verwendung des Automatisierungssystems nicht mehr gegeben sind.
- Parkpilot (Art. 25 ff.): Bei einem Fahrzeug mit einem Automatisierungssystem zum Parkieren, manövriert das Automatisierungssystem das Fahrzeug ohne Fahrzeugführerin oder Fahrzeugführer und ohne deren oder dessen Überwachung vom Übergabestandort zum Abstellfeld und vom Abstellfeld zum Übernahmestandort (sogenannte Automatisierungsstufe 4). Dazu können Kantone bzw. Gemeinden (auf Gesuch) definierte und signalisierte Parkhäuser und Parkplätze vorsehen.
- Autopilot (Art. 33 ff.): Bei einem führerlosen Fahrzeug legt das Fahrzeug mit einem Automatisierungssystem bestimmte Fahrstrecken (nicht nur zum Parkieren) von ihrem Ausgangs- bis zum Endpunkt selbständig zurück (sogenannte Automatisierungsstufe 5). Die führerlosen Fahrzeuge müssen von einem Operator in einer Zentrale überwacht werden. Wenn das Fahrzeug eine Situation nicht selbst lösen kann, fordert das System den Operator auf, dem Fahrzeug ein Fahrmanöver vorzuschlagen. Der Gütertransport und die Abdeckung der sogenannten "letzten Meile" im Personenverkehr sind als Anwendungsfall vorstellbar. Die Kantone können im eigenen Ermessen entsprechende Strecken genehmigen. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) erstellt für die Beurteilung von beantragten Strecken Weisungen und bildet eine Begleitgruppe, die von den Kantonen herangezogen werden kann (vgl. Bundesrat Medienmitteilung vom 13. Dezember 2024).
Die Verordnung sieht konkrete Anforderungen an die Fähigkeiten des jeweiligen Automatisierungssystems vor (Art. 3), z.B. betreffend Fähigkeiten, das Fahrzeug tatsächlich zu führen, Rahmenbedingungen (z.B. Meteorologie, Tageszeit, Lichtintensität, Markierte Verkehrsflächen etc.) zu erkennen, jederzeitiger und intuitiver Deaktivierungsmöglichkeit, Manöver zur Risikominimierung etc.
Zentral ist die Definition des bauartbedingten Bereichs (Art. 4): Dies bezeichnet den Bereich, für den die Benützung eines bestimmten Automatisierungssystems technisch vorgesehen ist. Im Englischen entspricht dies dem Operational Design Domain (ODD) und umfasst die eigentlichen Betriebsbedingungen. In der Typengenehmigung muss diese Beschreibung enthalten sein. Und sie muss es ermöglichen, die Systemeigenschaften mit den vorgesehenen realen Einsatzbedingungen abzugleichen. Insbesondere bei führerlosen Fahrzeugen und bei Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem zum Parkieren ist diese Überprüfung für die Erteilung einer Genehmigung unerlässlich. Diskrepanzen führen zu Einschränkungen des beantragten Einsatzbereichs oder schliessen den beabsichtigten Einsatz des Fahrzeugs aus. Ist für ein Automatisierungssystem beispielsweise nicht nachgewiesen, dass es Spurwechselmanöver durchführen kann, ist das Befahren von Strecken mit mehreren Fahrspuren und mit Einspurstrecken vor Kreuzungen unter Umständen nicht ohne weiteres möglich (vgl. ASTRA Erläuterungen VAF vom 13. Dezember 2024, S. 16).
Die Verordnung sieht auch Aufklärungs- und weitere Aufbewahrungspflichten vor (Art. 22): Wer gewerbsmässig ein Fahrzeug mit Autobahnpilot anbietet (d.h. verkauft, vermietet oder verleast), muss seine Vertragspartei explizit über die bestimmungsgemässe Verwendung des Automatisierungssystems aufklären und sich die erfolgte Aufklärung von der Vertragspartei unterschriftlich bestätigen lassen. Diese Bestätigung muss der Anbieter während fünf Jahren aufbewahren und den Strafverfolgungsbehörden auf Verlangen herausgeben. Operatoren müssen Schulungen der Hersteller absolvieren und Hersteller den erfolgreichen Abschluss bestätigen (Art. 36 Abs. 2 und Art. 37).
Zusätzlich zu allenfalls bereits vorhandenen Datenaufzeichnungsgeräten (z.B. Unfalldatenspeicher), müssen Fahrzeuge mit einem Automatisierungssystem auch mit einem sogenannten Fahrmodusspeicher ausgerüstet sein. Während das Automatisierungssystem aktiv ist, müssen bestimmte Ereignisse aufgezeichnet werden, z.B. (Art. 7):
- Beginn und Ende eines Notfallmanövers;
- Zusammenstösse;
- sicherheitsrelevante technische Störungen des Automatisierungssystems;
- sicherheitsrelevante technische Störungen des Fahrzeugs;
- die Durchführung eines Manövers zur Risikominimierung durch das Automatisierungssystem;
- unter Umständen den Beginn/das Ende eines Fahrstreifenwechselvorgangs oder einer geplanten Überquerung der Fahrstreifenmarkierung.
Zu diesen Ereignissen sind als Datenkategorien die Art des Ereignisses und der allfällige Grund, das Datum, ein Zeitstempel und (bei führerlosen Fahrzeugen) die Position des Fahrzeugs durch Angabe der GNSS-Koordinaten aufzuzeichnen. Die Verordnung regelt auch die weitere Verwendung dieser Daten (z.B. für die Aufklärung von Unfällen oder die Beurteilung von Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften durch die zuständigen Polizei-, Justiz- und Administrativbehörden, Art. 18 f. mit Verweis auf den neuen Art. 25g Strassenverkehrsgesetz) sowie deren Vernichtung. Letztere erfolgt nur zum Zwecke der Verschrottung des Fahrzeuges und nur soweit ausgeschlossen ist, dass sie für die Aufklärung von Unfällen oder zur Beurteilung von Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsrecht erforderlich sind. Eine Einwilligung der betroffenen Personen ist nicht erforderlich (Art. 21 VAF).
Zahlreiche Pflichten der Hersteller, Anbieter (z.B. Verkäufer oder Vermieter), Fahrzeughalter/innen, manuelle Lenker/innen und Operatoren sind strafbewehrt (Art. 49). Die Strafbestimmungen zielen dabei (wie immer) in erster Linie auf natürliche Personen. Damit erhöht sich der Druck die Vorgaben einzuhalten und die Pflichterfüllung zu dokumentieren, z.B. für Verantwortliche für Fahrzeugflotten eines Betriebs.
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