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Anhörungspflicht vor Ausschluss eines Angebots

In einem neueren Urteil vom 8. März 2021 hat sich das Bundesgericht zur Anhörung einer Anbieterin vor deren Ausschluss geäussert. Dem Urteil lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Eine Vergabestelle schrieb einen Bauauftrag für den Neubau von Trinkwasserdruckleitungen und Fertigbrunnenstuben im selektiven Verfahren aus. Die Ausschreibung gewichtete das Zuschlagskriterium 'Preis' mit 60%. Innert Frist gingen fünf Offerten bei der Vergabestelle ein, wobei die bei weitem preisgünstigste Offerte von einer Arbeitsgemeinschaft stammte. Mit Verfügung vom 28. April 2020 schloss die Vergabestelle diese Arbeitsgemeinschaft mit der Begründung vom Vergabeverfahren aus, dass ihr Angebot die Selbstkosten nicht decken würde. Gegen den Ausschluss erhob die Arbeitsgemeinschaft zunächst beim Kantonsgericht Wallis Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragte die Aufhebung der Ausschlussverfügung. Ebenso erhob sie Beschwerde gegen die spätere Zuschlagsverfügung und beantragte, dass der Zuschlag aufgehoben und an sie zu erteilen sei.

Das Kantonsgericht Wallis vereinigte die Verfahren und wies beide Beschwerden ab. Die Beschwerdeführerinnen gelangten daraufhin mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie machten geltend, ihr Angebot sei zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden. Da das Zuschlagskriterium 'Preis' zu 60% gewichtet worden sei und die preisgünstigste Offerte durch sie eingereicht worden sei, hätte die Vergabestelle ihnen den Zuschlag erteilen müssen.

Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Die Beschwerdeführerinnen rügten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Es wurde angeführt, dass eine Anbieterin mit einem Angebot, das ungewöhnlich tiefe Preise enthalte, vor dem Ausschluss aus dem Vergabeverfahren anzuhören sei. So müsse die Vergabebehörde, die ein Angebot erhalte, das im Preis ungewöhnlich vorteilhafter sei als die übrigen, bei der Anbieterin Erkundigungen einzuholen, um zu prüfen, ob diese die Teilnahmebedingungen einhalte und die Auftragsbedingungen erfüllen könne. Solche Erkundigungen sowie eine Anhörung seien vorliegend nicht erfolgt.

Das Bundesgericht bestätigte den beschaffungsrechtlichen Grundsatz, wonach die blosse Tatsache eines ungewöhnlich tiefen, gegebenenfalls sogar nicht kostendeckenden Angebotspreises für sich allein den Ausschluss eines Angebots noch nicht rechtfertigt. Ein so begründeter Ausschluss sei erst dann möglich, wenn Veranlassung bestehe, an der Fähigkeit der Anbieterin zur Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags zu den angebotenen Konditionen und damit an der Seriosität des Angebots zu zweifeln. Solche Angebote, die unter den Gestehungskosten liegen (sog. Unterangebote) sind daher zulässig, solange die Anbieterin die Eignungs- und Zuschlagskriterien erfüllt. Eine Vergabebehörde kann ergänzende Erkundigungen vornehmen, wenn sie daran Zweifel hat. Das Bundesgericht erwog, dass es einer Vergabebehörde mitunter unmöglich sei, gestützt auf ein eingereichtes Angebot und den offerierten Gesamtpreis die Selbstkosten einer Anbieterin abschliessend einzuschätzen. Es lasse sich also nicht ohne Weiteres bestimmen, ab wann ein Angebot die Selbstkosten derart unterschreite, dass es als unseriös gewertet werden kann. Erst wenn sich aufgrund ihrer Erkundigungen zeigt, dass das Angebot tatsächlich Mängel aufweist, kann es ausgeschlossen oder schlechter bewertet werden.

Es besteht somit eine Anhörungspflicht der Vergabestelle, wenn sie erwägt eine Anbieterin wegen eines ungewöhnlich tiefen Preises vom Vergabeverfahren auszuschliessen. Der Anbieterin eines Unterangebots muss die Möglichkeit eingeräumt werden, den von ihr offerierten tiefen Preis zu erläutern und zu rechtfertigen.

Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wurde deshalb gutgeheissen und das vorinstanzliche Urteil aufgehoben. Das Bundesgericht wies die Angelegenheit zur Neubeurteilung im Sinne seiner Erwägungen an die Vergabebehörde zurück. Das vollständige Urteil kann hier nachgelesen werden.

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